GÜNTER SCHICKERT

SAMTVOGEL - out November 15, 2024

It’s hardly a secret that there was a lot of movement in German pop music during the late 60s and early 70s of the last century, and that many new things emerged then. Countless books have already been published on the subject of 'Krautrock', and many LPs from this period have been re-released. Günter Schickert only released two LPs in the 70s: "Überfällig" (Sky Records, 1979 / Bureau B, 2012) and "Samtvogel" (Brain, 1976). Now, exactly 50 years after its original release, "Samtvogel" has returned.

Günter Schickert used only guitars, echo devices and a modest recording technique for "Samtvogel". The album is a genuine DIY production – radical in every respect and not at all in keeping with the zeitgeist of the time. It was perhaps this radicalism that made it difficult to find a suitable record label to release the album. In any case, Schickert initially self-released "Samtvogel" in 1974 in an edition of 500 copies. It wasn't until two years later that the album was released in a much larger edition on the Brain label.

I am sure that Schickert was familiar with the minimal music of Steve Reich, Terry Riley and Philip Glass. I don't know whether he had also heard "Die grüne Reise" (1971) by Achim Reichel. "Inventions for Electric Guitar" by Manuel Göttsching would not appear until 1976. With his version of minimal music, Schickert completely dispenses with electronic sound generators; neither synthesizers, sequencers nor rhythm machines can be heard on "Samtvogel". Instead, he enters into a dialogue with the echo device and uses it and his electric guitar to create seemingly simple, almost rudimentary repetitive patterns that only reveal their minimalist nuances on closer listening. What sounds so simple requires a high level of concentration from the player, as he has to react to the relentless echo once it has been set up. If attention wavers for even a second, the piece immediately goes off the rails and chaos ensues. In the studio, you simply start all over again; in a live situation, it's a worst case scenario. However, Schickert remains absolutely precise on "Samtvogel", and yet his music does not have the coolness and/or artificiality found in the electronically produced music of other German musicians. In addition, Schickert enriches his music with occasional elements of speech, which remain incomprehensible even with the utmost attention.

"Samtvogel" is a particularly important album because it makes it clear what was musically possible in the 70s. There is no doubt that the album is extreme, even though it is of high quality musically and technically. Yet it doesn't conform to any of the trends of the time; and that is probably also the reason why it was never commercially successful. With his two albums "Samtvogel" and "Überfällig", which were unjustly undervalued at the time, Günter Schickert was a remarkable exception in the broad scope of experimental German pop music during the 70s. "Samtvogel" was a venture that succeeded, but can perhaps only be truly appreciated today, 50 years after its first release.

Asmus Tietchens, 2024    

DEUTSCHER PRESSETEXT

Dass in den späten 60ern und frühen 70ern des vergangenen Jahrhunderts sich in der deutschen Popmusik extrem viel bewegte und viel Neues entstand, pfeifen die Spatzen mittlerweile vom Dach. Zahllose Bücher sind bereits zum Thema ‚Krautrock‘ erschienen, und viele LPs aus dem genannten Zeitraum sind wiederveröffentlicht worden. Günter Schickert hat in den 70ern nur zwei LPs veröffentlicht: „Überfällig“ (Sky Records, 1979 / Bureau B, 2012) und „Samtvogel“ (Brain, 1976). Exakt 50 Jahre nach Erscheinen der LP kommt der „Samtvogel“ nun zurückgeflogen.

Günter Schickert benutzte für „Samtvogel“ ausschließlich Gitarren, Echogeräte und eine bescheidene Aufnahmetechnik. Das Album ist eine waschechte DIY-Produktion – in jeder Hinsicht radikal und dem damaligen Zeitgeist überhaupt nicht verpflichtet. Diese Radikalität war es vielleicht, die es schwierig machte, ein geeignetes Plattenlabel für eine Veröffentlichung zu interessieren. Jedenfalls brachte Schickert „Samtvogel“ 1974 zunächst einmal in einer Auflage von 500 Stück selbst heraus. Erst zwei Jahre später erschien das Album in einer weitaus höheren Auflage auf Brain.

Ich bin mir sicher, dass Schickert die minimal music von Steve Reich, Terry Riley und Philip Glass kannte. Ob er auch „Die grüne Reise“ (1971) von Achim Reichel gehört hatte, weiß ich nicht. „Inventions for Electric Guitar“ von Manuel Göttsching sollte erst 1976 erscheinen. Schickert verzichtet mit seiner Variante der minimal music völlig auf elektronische Klangerzeuger; weder Synthesizer, noch Sequencer oder Rhythmusmaschinen sind auf „Samtvogel“ zu hören. Vielmehr dialogisiert er mit dem Echogerät und erzeugt mit ihm und seiner E-Gitarre einfache, fast simpel scheinende repetitive Muster, die erst bei genauem Hinhören ihre minimalistischen Nuancen erkennen lässt. Was so einfach klingt, erfordert eine hohe Konzentration des Spielers, denn er muss auf das unbarmherzige, einmal eingerichtete Echo reagieren. Lässt die Aufmerksamkeit auch nur eine Sekunde nach, läuft das Stück sofort aus dem Ruder und es entsteht Chaos. Im Studio beginnt man dann einfach noch mal von vorne, in der Live-Situation ist es der worst case. Schickert bleibt aber auf „Samtvogel“ absolut präzise, und trotzdem hat seine Musik nicht die Kühle und / oder Künstlichkeit der elektronisch hergestellten Musik anderer deutscher Musiker. Außerdem reichert Schickert seine Musik mit gelegentlich aufscheinenden Sprachelementen an, die aber selbst bei höchster Aufmerksamkeit unverständlich bleiben.

„Samtvogel“ ist ein besonders wichtiges Album, weil es deutlich macht, was musikalisch in den 70ern alles möglich war. Kein Zweifel: Das Album ist extrem, obwohl es musikalisch und spieltechnisch von hoher Qualität ist. Aber es entspricht eben keinem der damaligen krautigen Trends; und das ist wohl auch der Grund, weshalb es im kommerziellen Sinn nie erfolgreich war. Günter Schickert war mit seinen beiden, damals zu Unrecht unterbewerteten Alben „Samtvogel“ und „Überfällig“ im Gesamtkonzert der experimentellen deutschen Popmusik der 70er Jahre eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung. „Samtvogel“ war ein Wagnis, das zwar gelang, aber vielleicht erst heute, 50 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung so richtig geschätzt werden kann.

Asmus Tietchens, 2024